UNORDNUNG IST DAS GANZE LEBEN

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Wenn selbst Aufräum-Guru Marie Kondo ihre Unterwäsche neuerdings achtlos in den Schrank wirft … halten wir uns erst recht nicht mehr mit Falten und Sortieren auf. Life is messy und dadurch auch erst richtig schön, findet unsere Autorin

TEXT: MELANIE JASSNER

SCHLÜSSELLOCH-BLICK IN DIE SEELE
Der US-Psychologe Sam Gosling fand heraus, dass Wohnungen die Persönlichkeit widerspiegeln und auch so wahrgenommen werden. Proband*innen beurteilten Bewohner*innen von reichlich dekorierten Apartments mit vielen unterschiedlichen Büchern und Magazinen etwa als „offen für neue Erfahrungen“
FOTO: DUET POSTSCRIPTUM/STOCKSY

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teenager*innen sind manchmal wie Siri: filterlos ehrlich und überraschend komisch. So wie meine Nichten Helena und Salomé, die mich kürzlich mal wieder für eine Woche in München besuchten. Irgendwann zwischen Essenkochen und Movie Night auf der Couch fiel der Satz: „Tante Meli, selbst wenn es bei dir aufgeräumt ist, sieht es unordentlich aus – aber deshalb ist es auch so gemütlich.“

Was für eine lustige treffende Beschreibung. Tatsächlich ähnelt meine 60-Quadratmeter-Altbauwohnung einem nicht eingezäunten Interior-Spielplatz. Alles, was hübsch ist, darf draußen toben. Gläser und Designertassen aus aller Welt grüßen aus dem offenen Küchenschrank. In jedem Raum erzählen Bücherstapel und Kunstwerke Geschichten. Und unzählige Kissen, Decken, Duftkerzen, Lammfelle, funktionieren als Chill-Booster. Die High-Heels-Wand im Schlafzimmer ist mein Melatonin, weil ich bei ihrem Anblick selig wegschlummere.

ES GIBT WICHTIGERES ALS AUSMISTEN – ETWA SPASS

Für Minimalist*innen und Ordnungsfanatiker*innen ist meine Wohnung Chaos, für mich eine herzliche Umarmung. „So gemütlich“, hallt die Stimme meine Nichte nach. Und ich finde, genau das sollte ein Zuhause sein. Man sollte sich darin verlieren und kreativ sein können, essen, bröseln, lachen, träumen, an- und runterkommen. Wer mit Spaß durchs Leben hobelt, erzeugt eben Späne und hat keine Zeit, diese ständig wegzukehren.

Das hat mittlerweile sogar Ordnungs-Queen Marie Kondo erkannt. Mit der Geburt ihres dritten Kindes fiel es auch ihr wie gefaltete T-Shirts von den Augen: dass Kinder und ein steril sauberes Zuhause null vereinbar sind. Gegenüber der „Washington Post“ erklärte sie: „Als professionelle Ordnungsberaterin war es für mich immer essenziell, dass mein Zuhause perfekt aufgeräumt ist. Mittlerweile habe ich diese Ansprüche an mich selbst aufgegeben; meine Prioritäten haben sich auf positive Art verschoben. Momentan genieße ich es einfach, Zeit mit meinen Kindern zu verb